Messtechnische Überwachung BAB A4
Mit der Öffnung der Grenzen ist auch auf der A4 das Verkehrsaufkommen sprunghaft angestiegen. Einer der stärksten belasteten Abschnitte befindet sich zwischen dem Autobahndreieck Nossen und dem Autobahndreieck Dresden. Während des sechsstreifigen Ausbaues dieses Teilabschnittes standen die Ingenieure, Architekten und Bauleute vor einer besonderen Herausforderung.
Die vorhandene Elbüberquerung der Autobahn aus dem Jahre 1935 war durch eine sechsstreifige neue Brücke mit beidseitigen Fuß- und Radwegen zu ersetzen. Die Besonderheit dieser Baumaßnahme bestand darin, dass während der gesamten Bauphase die Aufrechterhaltung des Verkehrsgeschehens auf und unter der Brücke zu gewährleisten war. Dies betraf im Einzelnen den Autobahnverkehr A4, den Zugbetrieb auf der DB-Strecke Dresden - Leipzig, den gesamten Verkehr auf der B6 und den Schiffsverkehr auf der Elbe. Bautechnisch mussten vorhandene Unterbauten der alten Brückenkonstruktion zum Teil weiterverwendet und in die neue Konstruktion integriert werden. Dies betraf die Pfeiler 1 bis 4, die entsprechend der neuen Erfordernisse zu verlängern und in der Höhe anzupassen waren. Beide Widerlager sowie Pfeiler 5 und 6 waren neu zu erstellen. Gleichzeitig war mit der neuen Brücke eine Gradientenkorrektur ( Anhebung / Neigungsabflachung ) vorzunehmen, so dass eine wesentliche Verbesserung des Freiraumes für die Meißener Landstrasse und der DB-Strecke stattfand, in deren Folge die DB-Strecke für ICE-Züge befahrbar ist.
Der Bauablauf der 500 m langen Brückenkonstruktion erfolgte in 4 Bauphasen.
Bauphase 1:
Herstellung eines neuen Überbaues in provisorischer Lage neben der vorhandenen Brücke in südlicher Richtung. Dazu waren Hilfspfeiler zu erstellen. Während dieser Phase floss der Autobahnverkehr über die noch bestehende alte Brücke.
Bauphase 2:
Durch Verkehrsumlegung floss nunmehr der eine Richtungsverkehr über den neuen Überbau in provisorischer Lage und der andere Richtungsverkehr über den südlichen Teil der alten Brücke. Danach erfolgte der Abbruch der alten nördlichen Brücke und der Neubau der nördlichen Brückenhälfte in seiner endgültigen Lage.
Bauphase 3:
Der bisher noch auf dem alten Brückenbau verbliebene Richtungsverkehr wurde auf die neue nördliche Brückenhälfte verlegt. Danach erfolgte der Abbruch der alten südlichen Brückenhälfte.
Bauphase 4:
Der gesamte Verkehr floss zeitweise über die neue nördliche Brückenhälfte. Während dieser Phase erfolgte die Querverschiebung der kompletten südlichen neuen Brückenhälfte um 10,5 m in die endgültige Lage, danach der Abbau der Provisorien und Freigabe beider Brückenteile.
Aufgabenstellung
Beginnend mit der zweiten Bauphase, besonders aber in der dritten und vierten Bauphase war eine permanente Überwachung der relativen Vertikalbewegungen der Pfeiler der neuen südlichen Brückenhälfte (schwerpunktmäßig der Hilfspfeiler in Höhe der alten Pfeiler 2 und 3 und nach Verschiebung der teilweise wiederverwendeten Pfeiler 2 und 3 in unmittelbarer Ufernähe des Flussbettes der Elbe) sowie der Durchbiegung des Überbaues erforderlich, zumal der neue Brückenteil in seiner provisorischen Lage unter voller Verkehrsbelastung stand.
Die Überwachung sollte durch eine kontinuierliche automatische Messung alle Einflüsse auf die Brückenkonstruktion, die durch Verkehrsbelastungen, Temperaturen an der Brückenkonstruktion selbst und solche durch Wind, Luft- und Strahlungstemperatur hervorgerufen werden, erfassen. In den Bauphasen Brücke in provisorischer Lage, Demontage der alten Brücke, Belastungsprobe und nach Verkehrsübergabe war eine Aussage aller 30 min gewünscht, während der Phase Verschub der Brücke in Normallage aller 5 min.
Messanordnung
Die neue Richtungsfahrbahn (Überbau Süd) verfügt über zwei begehbare Hohlkastenträger aus Stahl. Die Anordnung der 6 erforderlichen Messwertaufnehmer erfolgte in diesen Stahlhohlkästen über den Flusspfeilern 2 und 3 sowie im Bereich der Flussmitte zwischen diesen beiden Flusspfeilern jeweils an den einander zugewandten Seiten.
Um Beschädigungen des Korrosionsschutzes zu vermeiden, mussten die Messwertaufnehmer über spezielle Klemmvorrichtungen mit der Stahlkonstruktion verbunden werden. Untereinander wurden sie mittels Schläuchen wasser- und luftseitig verbunden. An den Konsolen wurde ein Stativ mit Kugelbolzen und Klemmbügel für die Aufnahme der Schlauchwaagen angebracht. Diese Spezialstative ermöglichten eine höhenmäßige Ausrichtung der Messwertgeber, so dass die Verlegung der wasserseitigen Verbindung nahezu in einem Niveau erfolgen konnte. Damit konnten Fehlereinflüsse durch Dichteunterschiede wesentlich minimiert werden.
Für die Verbindung der Messwertgeber zwischen den beiden begehbaren Stahlhohlkästen wurden Bohrungen (32 mm) eingebracht, durch die die Schläuche und Verbindungskabel in einem Schutzrohr, welches an einem gespannten Stahlseil befestigt wurde, verlegt wurden. Innerhalb der Stahlhohlkästen wurden die Schlauchleitungen ebenfalls an gespannten Stahlseilen verlegt.
Während der Sommermonate waren die Messschläuche mit Deionat, in den Wintermonaten mit einer Mischung aus Deionat und Zusatzstoffen gefüllt. Um die Funktion des Messsystems auch während der niedrigen Temperaturen der Wintermonate zu sichern, wurde der PC in einem beheizbaren Schrank untergebracht. Dieser PC-Schrank war verschließbar. Der Abruf von Messergebnissen und eine Änderung der Messparameter sind nur nach Eingabe von Passwörtern möglich. Zum Ausgleich bzw. zur Korrektur der Messergebnisse wurden die Temperaturen der Messflüssigkeit, zur Bewertung des Deformationsverhaltens der Brückenkonstruktion die Beton- und Metalltemperaturen der Kästen und die Luft- und Strahlungstemperaturen gemessen.
Messergebnisse
Die Höhenänderungen der 6 Messwertaufnehmer wurden relativ zueinander aufgezeichnet und in einer Datei im ASCII-Format gespeichert. Die relativen Setzungen der Pfeiler, das Kippen der Pfeiler quer zur Brückenkonstruktion und die Durchbiegung der Brücke zwischen den Pfeilern 2 und 3 wurden für die Messzeit dargestellt. Die Durchbiegung wurde als Höhenänderung direkt gemessen. Die im PC vorliegenden Daten wurden täglich transferiert und mit einer entsprechenden Software ausgewertet.
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass das installierte System über ein Jahr unter zum Teil extremen Bedingungen für die permanente Kontrolle und Überwachung des Bauwerkes „Neue Autobahnbrücke BAB A4“ in Dresden sehr zuverlässig im Einsatz war.
Nicht unerwähnt sollen einige während dieser Messzeit aufgetretene Kuriositäten bleiben.
So ergaben z. B. die Nachberechnungen der Statiker nach einer Belastungsprobe der Brücke mittels eines großen Autokranes abweichende Ergebnisse der gemessenen Werte mit dem angegebenen Gewicht des Autokranes. Erst ein Nachwiegen des Autokranes konnte alle Ungereimtheiten aufklären. Der Autokran hatte ein wesentlich höheres Gewicht und der durch die Statiker auf Basis der Durchbiegung der Brückenkonstruktion ermittelte Wert stimmte mit dem nunmehr gemessenen überein.
Auch eine nachts gemessene erhebliche Spitze in der Durchbiegung des Brückenteiles in Flussmitte fand eine spätere Aufklärung. Ursache war ein nachgewiesener LKW-Unfall auf der Brücke.
Literatur:
Löbel, K.-H.: Tradition und Gegenwart des Präzisionsinstrumentenbaus in Freiberg; Technische Universität Bergakademie Freiberg, Freiberg 2000